Geomantie – Empathie als Wahrnehmungs­organ

Die subtile Aufmerksamkeit, die bei der Bildekräfteforschung in die Lebendigkeit der Naturdinge führt, wird in der Geomantie mit einem gesteigerten Empathievermögen verbunden und auf Landschaftsräume ausgerichtet. Die Haltung des Geomanten ist der des Alchemisten verwandt: Begriff und Gefühl klingen unmittelbar zusammen. Man sucht sich empathisch für Orte oder Geschehnisse zu öffnen und durch das eigene Empfinden eine Stimmung (in Form imaginativer Bilder und inspirativer Erkenntnisse) zu erfassen und zu beschreiben.

Die Seelenschichten der Erde

Mensch und Erde sind bis in ihre dunklen Tiefen hinein miteinander verbunden – dieser Gedanke findet sich in vielen Kulturen als ein Teil der Erzählung vom Menschen. Ob Orpheus in der Unterwelt oder Gandalf und seine Gefährten in den Minen von Moria – immer ist das Innere der Erde ein herausfordernder, gefährlicher Ort. Denn er verweist auf die unbewussten Schichten des Daseins, auf die Nachtseite der seelisch-geistigen Existenz. In solche Weiten und Tiefen des Seins der Erde hinein fragt die Geomantie nach Erkenntnis.

Brennstoffe und Seelenschichten

Im Projekt „Alchemie der Klimakrise“ führt die Betrachtung der unterschiedlichen Brennstoffe und der Einbettung von Kraftwerken in die Landschaft zu einem seelischen Erleben, das die Stoffzusammenhänge nachvollzieht und dabei einer Reise in die inneren Seelenschichten unserer Erde gleicht.

In neun Wirklichkeitssphären mischen sich Erdensein, menschliches Leben und menschliche Moral miteinander. Wie man sich das vorstellen kann, und auf welchen Grundlagen solche Ideen beruhen, ist in „Alchemie der Klimakrise“ nachzulesen. Ein kleines Experiment, um sich ein erstes Empfinden für eine solche seelisch-lebendige Verflechtung von Himmel und Erde anzueignen, kann man hier ausprobieren:

Zur Übung

Vier der Stoffe und Wirkungsarten, welche Wirklichkeitssphären repräsentieren, sollen hier beispielhaft dargestellt werden.

Holz

Jahrtausendelang war der Umgang des Menschen mit dem Feuer – zur Erwärmung seiner Behausung, zum Zubereiten der Nahrung, zum Erleuchten der Dunkelheit – an die Verwendung von Holz und Reisig gebunden: Brennstoffe, die mit den Händen gesammelt und auch ohne große Werkzeuge verwendet werden können.

Holz ist also ein „naturreiner“ Brennstoff. Problematisch ist er insofern, dass schnell große Brände entstehen können, und dass in Laufe der Zeit – schon seit der Antike, also recht früh in der menschlichen Entwicklung – eine Übernutzung der Quelle Holz die Erde nachhaltig verändert hat. Seit langem wird der Pflege von Wäldern ein großer Stellenwert beigemessen.

Heutzutage wird Holz als Brennstoff in Biomasseheizkraftwerken verwendet. Es handelt sich in der Regel um Reste aus der Holzverarbeitung wie Sägemehl oder Hackschnitzel. Biomasseheizkraftwerke sind meist kleine, kommunal betriebene Anlagen, die durch Kraft-Wärme-Kopplung sowohl Strom als auch Wärme für Nah- oder Fernwärmenetze erzeugen und daher sehr nachhaltig arbeiten können.

Für unser Projekt haben wir ein kleines, in eine lokale Gemeinschaft eingebundenes
Holzhackschnitzel-Heizwerk, welches nur Nahwärme erzeugt, und zwei
städtisch geführte Biomasse-Heizkraftwerke besucht.

Die Wahrnehmung

Kohle

War Kohle einst eher eine dreckige Notlösung, wenn gerade weder Holz noch Holzkohle zur Verfügung stand, wurde sie im 19. Jahrhundert zum treibenden Faktor der industriellen Revolution. Ohne Kohle wären weder die enormen technischen Neuerungen noch die Erweiterung des menschlichen Bewegungsradius durch die wachsenden Reisemöglichkeiten möglich gewesen.

Der steigende Kohleabbau hatte gravierende Folgen für die Gesundheit der Menschen. Die Luft in den wachsenden Städten dunstete vor giftigen Rauchschwaden, die Arbeiter im Kohlegewerbe litten unter lebensbedrohlichen Krankheiten wie der gefürchteten Staublunge. Die Zerstörung der Landschaften durch die großen Kohlengruben wurde mit der Zeit immer offensichtlicher.

Kohle ist auch heute noch der bedeutendste fossile Energierohstoff in Deutschland. Ein Viertel der hier erzeugten Energie stammt 2024 immer noch aus der Kohle.

Braunkohle ist dabei für über die Hälfte der CO2-Emissionen bei der Verstromung verantwortlich und hat eine so schlechte Umwelt- und Klimabilanz, dass Deutschland beschlossen hat, die Braunkohleverstromung bis 2028 aufzugeben.

Steinkohle, früher «schwarzes Gold» genannt, ist dichter als Braunkohle und hat daher eine deutlich höhere Energieeffizienz, ist aber für Ökologe und Klima ebenfalls negativ zu bewerten. Seit 2018 die letzte Zeche geschlossen wurde, wird Steinkohle in Deutschland nicht mehr abgebaut, aber weiterhin importiert. Steinkohle hat einen Anteil von rund 40% an dem in Deutschland erzeugten Kohlestrom.

Für das Projekt wurden sowohl eine Braunkohletagebaustätte mit angeschlossenem Kraftwerk als auch zwei große Steinkohlekraftwerke besucht. Beispielhaft werden hier die Erfahrungen mit der Steinkohle dargestellt.

Die Wahrnehmung

Erdöl

Die Geschichte des Erdöls ist noch mehr als die der Kohle mit dem Gewinnstreben großer Konzerne und einem grenzenlosen Ressourcenverbrauch verbunden.

Öl galt lange als ein Symbol des Fortschrittsoptimismus, es ist heute allgegenwärtig und bestimmt unsere Handlungsweisen und Kulturtechniken. Als Grundlage der modernen Industrie, vom Plastik bis zum Kunstdünger, von der Munition bis zur Pharmazie und besonders als Kraft- und Heizstoff ist Erdöl die Basis unseres modernen Lebensstils.

In der Folge des steigenden Ölverbrauchs (seit 1980 übersteigt der jährliche Verbrauch die Neufunde) sind weltweite Krisen und Kriege entstanden, die uns bis heute prägen. Die Umweltschädlichkeit von Öl wird uns durch die dramatischen Folgen der durch Krieg, technisches Versagen oder mangelnde Wartung von Pipelines, Bohrplattformen und Tankern sowie durch kriminelles Verhalten entstandenen Ölkatastrophen immer wieder erschütternd vor Augen geführt.

Um die Substanz des Öls kennenzulernen, wurde die Pferdekopfpumpe einer kleinen Erdöllagerstatte besucht. Des Weiteren haben wir uns eine Raffinerie mit Raffineriekraftwerk angesehen, das Teil eines großen Chemieparks internationaler Konzerne ist.

Die Wahrnehmung

Müllverbrennung

Im Lauf der Geschichte wurden Brennstoffe – Ressourcen – aus der Erde entnommen, um Energie zu gewinnen. Diese Ressourcen sind endlich, eines Tages wird es sie nicht mehr geben. Ein zunächst recht klug erscheinendes Verfahren scheint da die Energieerzeugung aus etwas zu sein, was nicht mehr gebraucht wird und immer mehr Platz einnimmt: die Verbrennung von Abfall oder Müll. Dies reduziert zum einen das enorme Volumen aller Abfälle und nutzt zum anderen die darin enthaltene Energie zur Erzeugung von Strom oder Heizwärme. Eine Win-Win-Situation?

Seit 2005 darf Müll in Deutschland nicht mehr unbehandelt auf Deponien abgelagert werden. Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling sollten dem Gesetz nach vorgezogen werden. Dennoch wird ein Großteil der Abfälle in Müllverbrennungsanlagen «thermisch» verwertet. 40% der brennbaren Stoffe im Abfall stammen aus Plastik und verwandten Substanzen. Bei ihrer Verbrennung entstehen einerseits hohe CO2-Emissionen, andererseits aber auch Feinstaub, Schwermetalle, Dioxine oder Furane sowie hochbelastete Schlacken und Filterasche. Daher unterliegen die Anlagen europaweit strengen Richtlinien über Emissionsgrenzwerte für diese Schadstoffe.

Inzwischen stellt das neue Gebäudeenergiegesetz die Abwärme aus der Müllverbrennung den erneuerbaren Energien gleich. Die Zielsetzung einer Kreislaufwirtschaft wird damit weiter untergraben.

Es wurden zwei kleinere kommunale Müllverbrennungsanlagen besucht sowie ein überregionales Restmüllheizkraftwerk eines großen Energiekonzernes mit ausgedehntem Einzugsbereich.

Die Wahrnehmung

Fazit

Die verschiedenen Verbrennungsmethoden zur Energiegewinnung wirken sich in ihrer Tiefe sehr unterschiedlich auf die Umwelt und die hier beschriebenen elementaren Bereiche der Natur aus. Dabei spielt die Art und Weise, wie sie durch menschliches Denken und Handeln in die Umwelt eingebunden werden, eine überraschend bedeutsame Rolle.



Es ist daher naheliegend, dass positive Wechselwirkungen ebenfalls möglich sind. Kohlendioxid entfaltet auch lebensfördernde Qualitäten – sei es im gesund wachsenden Pflanzenreich, im wesensgerecht lebendigen Tierreich oder im Atem von spirituell aktiven Menschen. Gerade die letzte Beobachtung macht Hoffnung, dass Veränderungen im Moralischen eine bedeutsame Wirkung haben können für die gemeinsame Atmosphäre, die alles Lebendige miteinander teilt.

Das steht im Buch:

Wie sich die Brennstoffe in der historischen Entwicklung darstellen. Wie die Geomantie entstanden ist. Wie die neun Erdschichten mit der Seele zusammenhängen und wie sie sich im sozialen Leben ausprägen. Was Kraftwerke mit Moral zu tun haben und wie man das beobachten kann. Wo der Weg in Zukunft hinführen kann.

Was ist Geomantie?

Unter Geomantie (Geo = Erde und Mantie = Weissagung, ursprünglich eine Orakelmethode) wird heute die wiederentdeckte europäische Kunst verstanden, Energien von Landschafts- und Stadträumen wahrzunehmen und Lebensräume damit in Einklang zu bringen und zu gestalten.

Dabei wird die Ortung und Wahrnehmung von geomantischen Phänomenen über die klassische radiästhetische Praxis („Rutengehen“) hinaus erweitert und durch meditative, emphatiegestütze Erfahrungen ergänzt.

Der wohl einflussreichste Autor auf diesem Gebiet war John Michell. In seinem Buch: Sonne, Mond & Steine (1989) beschreibt er die Erde als ein lebendiges Wesen, das eingebunden ist in größere Zusammenhänge, wie auch der Mensch in das Erdfeld eingebunden ist.

Der Gedanke, dass die Erde ein Lebewesen ist, wurde auch in der Naturwissenschaft im Anschluss an die Gaia-Hypothese von James Lovelock und Lynn Margulis ab Mitte der 1970er Jahre diskutiert.

Marko Pogačnik, der slowenische Land-Art Künstler, Geomant und Autor entwickelte in seiner „Gaiakultur“ die Verbundenheit mit der Erde als Kulturimpuls weiter und brachte das Prinzip der Erdheilung in die Geomantie ein.

Moderne Ansätze in der Geomantie verfolgen mehrdimensionale Konzepte, die alle auf einer empathischen Verbindung mit der Erde, ihrer Lebendigkeit und ihrer Wesenhaftigkeit beruhen.

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Übung

Der Drei-Kerzen-Versuch

Für die folgende Übung brauchst Du drei Kerzen oder Teelichter:

  • aus pflanzlicher Herkunft (Stearin)
  • aus tierischer Herkunft (Bienenwachs)
  • auf Erdöl basierend (Paraffin)

Entzünde die Kerzen und stelle sie an der Tischkante mit etwa 20 cm Abstand zueinander auf, sodass jede Kerze ihren eigenen Raum hat. Nimm dir Zeit, um dich nacheinander in diese Räume einzuleben.

Wie fühlen sich diese Räume an? Sind sie lebendig? Sind sie warm oder kalt, leicht oder schwer, dehnen sie sich aus oder verkleinern sie sich? Öffnet sich ein Raum nach oben, oder ist er mehr nach unten gerichtet?

Nimm dir Zeit für die Wahrnehmung und vergleiche die verschiedenen Räume.


Bei der Paraffinkerze kann man die sich öffnende Tiefe unter der Kerze erleben, die in die Schwere des Bodens sinkt.

Bei der Stearinkerze bildet sich neben einem Lichterstrahlen ein Raum unter der Kerze, der sich kühl und in einer der Natur zugewandten Qualität ausdehnt.

Bei der Bienenwachskerze kann über der Flamme eine Sphäre erspürt werden, die sich lichthaft in die Höhe weitet, voll strahlendem Sonnenglanz.

Die Kerzenflamme ist also von unterschiedlicher Qualität und wirkt anders in ihren Umraum hinein, je nachdem, aus welchem Material die Kerze gemacht ist.

In einem zweiten Schritt kann man auch kleine Töpfe mit Pflanzen zwischen die Kerzen stellen und versuchen zu beobachten, ob sie in den jeweiligen Kerzenräumen unterschiedlich erscheinen.

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Es geht etwas Behagliches und Wohlwollendes von der kleinen lokalen Anlage aus. Der Betrachter fühlt sich in eine Sphäre von Wärme gehüllt, die sich fließend ausbreitet und mit einer gewissen Schwere zu Boden sinkt. Die lebendige Verwandlung von Holz zu Wärme, Abgas und Asche ist erlebbar und wird von der Umgebung integriert.

Auch die größeren Anlagen vermitteln den Eindruck einer dem Menschen nahen, irdischen Wärmesphäre. Weich und schwer fließt sie dem Boden entgegen und umfasst und durchdringt die Erde. Der Ursprung des Holzes bleibt trotz des Vergasungsvorgangs in seiner Lebendigkeit erahnbar.

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Am Hafenbecken sind mächtige Kohlehalden aufgeschüttet. Über den schwarzen Bergen liegt noch der Glanz der Kohle – wie eine Erinnerung an die Erdentiefen, denen sie entrissen wurde. In die Schwärze hinein spürend, kann das gepresste Pflanzliche die Seele berühren, bis es ganz kristallin und hell im Herzen wird.

Schornstein und Kühlturm des Kraftwerks erheben sich riesig hoch über dem Betrachter. Der Rauch entschwindet in die Sphären. Je höher er steigt, desto tiefer tut sich der Abgrund auf. In seiner Tiefe ist eine alles verschlingende Gewalt zu erspüren, die weit um sich greift und immer mehr haben will, ohne jede Grenze.
Der Glanz der Kohle verwandelt sich in fahles Licht. Das Denken wird trüb und stumpf, der Verstand gibt sich dem beherrschenden Dynamismus der Maschinenwelt hin. Im Vergessen der eigenen Lebendigkeit opfert sich alles Menschliche der Gewalt der brennenden Kohle.

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Tief in der Erde ruht das Öl, seine goldene Herzkraft trägt in sich die Weisheit der Schöpfung und des Lebens. An der Pumpe stehend, wird das Herz erfüllt von einer warm inspirierenden Bewusstseinskraft. Erst über der Oberfläche oxidiert das Erdöl zu Schwärze.

Die schier endlosen Leitungen, Tanklager und Schornsteine der Raffinerie verschmelzen mit den Anlagen des Chemieparks und bilden eine Sphäre intelligenten Nutzens, ein synthetisches Abbild der Natur durch die Petrochemie. Darin schwingt Fortschrittskraft, aber auch die losgelöste Gewalt des Materialismus, eines sich um jeden Preis ausbreitenden globalen Egoismus.

Am Kesselhaus des zugehörigen Kraftwerks greift die zerstörerische Dynamik des Feuers um sich und erhebt sich drachengleich aus einem zähklebrigen, in seiner Substanz unkontrollierbaren und alles zerreißenden Grund. Im Abgrund befinden sich die Schatten der endlosen Kriege um das Öl.

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Die erste der beiden kommunalen Anlagen wirkt leicht unübersichtlich. Starre Formen, eine beklemmende Stimmung, wie aus dem Umkreis der Landschaft herausgelöst, abgeschlossen, fremd. Was sich aus den Wänden und Schornsteinen fühlbar enthebt, sinkt zur Erde, schwer wie Blei. Es bildet sich eine undurchdringliche Schicht, die den Zusammenhang mit der Lebendigkeit verloren hat. In ihren dunklen Kräften wird materielles Sein zusammengepresst und zersplittert in tausend Teile. Jedes einzelne Teilchen ist dem Leben entfallen.

Auch im zweiten Müllheizkraftwerk erlebt der Betrachter ein Abgeschnittensein von allem Lebendigen, eine beklemmende Isolation, die ihn zu ersticken droht. Der Geist des Lebens entschwindet mit dem Rauch durch den Schornstein. Im vollen Kontrast dazu steht das vitale Geschehen im nebenan liegenden Schwimmbad, das mit der Abwärme des Werkes beheizt wird.

Die überwältigende Größe des dritten Kraftwerkes drängt die Lebendigkeit des Flusses zurück. Die Abgase aus dem hohen Schornstein erheben sich über der Stadt, scheinen den Raum des Tals zu beschweren und ihn bis in die tiefsten Tiefen der Erde zu öffnen.

Beim Hineinspüren in die elementarische Welt wird deutlich: Müll ist Stoff, welcher der Sinnlosigkeit übergeben wird. Einst produziert für den menschlichen Nutzen, wird er jetzt den Stoffkreisläufen entzogen und vernichtet. Eine Sphäre der Täuschung breitet sich aus, denn mit solchem Tun begeht der Mensch wider besseres Wissen Verrat an jeglicher Sinnhaftigkeit.

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Was ist Geomantie? Was sind Bildekräfte?